Sonntag, 20. August 2017
Sie wollte wie Orpheus singen...

Gestern war großer Heimkinoabend mit guten Freunden.
Auf dem Programm stand ein Film, den wir alle schon lange sehen wollten: „Florence Foster-Jenkins“.
Für die drei Menschen auf der Welt, die tatsächlich noch nicht wissen wer Florence Foster-Jenkins war: sie war eine sehr reiche, sehr musikliebende und sehr schlecht singende Amerikanerin, die sich ihren Lebenstraum vom Gesang dennoch erfüllt hat. Legendär ist ihr Auftritt in der Carnegie Hall im Jahr 1944. Legendär sind auch die Aufnahmen von verschiedenen Opernarien die sie für RCA eingesungen hat. Sie sind...skurill. Nicht nur, daß FFJ die Töne mit einer Seltenheit trifft die selbst für Laiensänger ungewöhnlich ist, sie hat sich auch grundsätzlich die schwersten Brocken des Koloraturrepertoires (und für eine Koloratursängerin hat sie sich gehalten) vorgenommen. „Der Hölle Rache“ aus der Zauberflöte, die Glöckchenarie aus „Lakmé“, „Mein Herr Marquis“ aus der „Fledermaus“ von Johann Strauss (Oh ja meine Damen und Herren Snobs. Operette IST anspruchsvoll und schwer zu singen!).
Begleitet wurde sie dabei von dem Pianisten Cosmé McMoon, dessen stoische Gelassenheit und dessen Eingehen auf die Eigenwilligen Tempi der Sängerin man nur stumm und staunend bewundern kann.
Fosters Biographie ist wie immer bei Wikipedia nachzulesen, so daß ich hier nicht näher darauf eingehen muß, außerdem will ich nicht allzu viel über den Film verraten, der die historischen Geschehnisse weitestgehend korrekt wiedergibt.
Es ist ein Leichtes, sich über Foster-Jenkins und ihre Aufnahmen lustig zu machen und sie als Witzfigur darzustellen. Meryl Streep, die wohl großartigste lebende Schauspielerin der Welt, tut dies in keiner einzigen Sekunde. Ihre Florence ruft bisweilen Tränen des Gelächters hervor, aber sie ist niemals lächerlich. Man empfindet tiefes Mitgefühl mit ihr, aber sie ist in keinem Augenblick mitleiderregend. Meryl Streep zeichnet das Bild einer Frau. der das Leben übel mitgespielt hat, und deren größte Liebe immer der Musik galt. Und die ein großes Herz für Menschen hat.
An ihrer Seite Hugh Grant als aufopfernd liebender Ehemann St. Clair Bayfield, der seine ganz eigene Auffassung vom dem hat, was unter dem Begriff „Treue“ zu verstehen ist, und Simon Helberg als Pianist Cosmé McMoon.
Simon Helberg? Das ist doch...ja. Howard aus „The Big Bang Theory“. Er ist großartig und es sollte erwähnt werden, daß er alle Klavierparts selber spielt, denn Simon Hellberg ist ausgebildeter Pianist. Hugh Grant hat mir, außer in „Eine sachliche Romanze“ wo er großartig ist, bisher in keiner anderen Rolle so gut gefallen wie hier. Seine Mischung aus Lebemann, Hochstapler und tief liebendem Ehemann hat ein paar Augenblick die man so schnell nicht vergiss.
Und Meryl Streep?
Wie gesagt, sie ist die größte lebende Schauspielerin. Eine Ansicht, über die höchstens dann nachzudenken bereit bin, wenn jemand den Namen „Helen Mirren“ in die Runde wirft.
Auch ich habe schon zu später Stunde über FFJs Aufnahmen gelacht, aber wie man es auch dreht und wendet: es gehört verdammt viel Mut dazu, sich vor ein Publikum zu stellen und sich an „Der Hölle Rache“ zu versuchen. Und zu guter letzt ist FFJ die Vorläuferin und die Schutzheilige all der Heerscharen von jungen Menschen die stimmlich eher wenig begabt sind und die doch in das Haifischbecken der Castingshows steigen weil es nun mal ihr Traum ist, zu singen und Erfolg zu haben. Es sind nicht die Florence Foster-Jenkins’ dieser Welt über die vernichtende Urteile zu sprechen wären, sondern die Medienwiderlinge die um der Quote willen junge Menschen und ihre Träume zerfetzen und in Stücke reißen.
Florence Foster-Jenkins und mich verbindet eines: sie liebte die Musik, sie war Amateursängerin (und ich verwende den Begriff Amateur weil er „Liebhaber“ bedeutet) und sie wollte wie Orpheus singen.
So wie ich.

https://www.youtube.com/watch?v=-fXgVs2cgqY

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