Sonntag, 12. Juli 2015
Brundibar
"Diese Oper ist wie ein Denkmal für die Kinder, die es nicht überlebt haben..."



Brundibar

Das Kapitel „Brundibar“ ist wohl eines der Tragischsten der Musikgeschichte. Es muß erzählt und darf nicht vergessen werden. „Brundibar“ ist eine Kinderoper des tschechischen Komponisten Hans Krasá.
Sie erzählt die Geschichte der Kinder Pepicek und Aninka die mit ihrem Gesang Geld für die kranke Mutter sammeln wollen. Aber ihre zarten Stimmen sind zu schwach und werden von den Vorübereilenden nicht gehört, der böse Leierkastenmann Brundibar will sie außerdem verjagen. Mit Witz, List und Solidarität gelingt es ihnen, gemeinsam mit vielen anderen Kindern und helfenden, sprechenden Tieren, Brundibar zu besiegen. Nichts kann den Chor der Kinder aufhalten, die jetzt alle gemeinsam singen.

„Brundibar“ wurde als die schönste Kinderoper des 20. Jahrhunderts bezeichnet, und ich bin sehr geneigt, dem zuzustimmen. Die Musik ist anspruchvoll. Sie verlangt von den Kindern die sie singen musikalische Übung und eine gewisse Erfahrung, aber es ist auch eine Musik, die Kindern zutraut, von ihnen bewältigt zu werden. Einzigartig in der Welt wird die Oper aber durch ihre Aufführungsgeschichte. „Brundibar“ wurde 1943 im KZ Theresienstadt von jüdischen Kindern aufgeführt. Zwischen 1943 und 1944 wurde das Werk dort mehr als 50mal aufgeführt. Wie viele wissen , waren in Theresienstadt sehr viele Künstler inhaftiert, den Nazis kamen künstlerische Bestrebungen im Lager entgegen. Sie tolerierten sie, weil es ihren Plan, aus dem Lager eine Art "Vorzeige-KZ" zu machen, entgegenzukommen schien. So gab es in Theresienstadt neben Konzerten auch andere kulturelle Veranstaltungen. Daher fiel es dem in Theresienstadt gefangenen Komponisten Hans Krasá relativ leicht, Musiker zu finden, die bereit waren, seine bereits 1938/39 in Prag entstandene und gespielte Oper zur Aufführung zu bringen. Gesungen werden sollte das Stück von Kindern. Es ist dieser Oper zu verdanken, daß Kinder, die in einer entsetzlichen Wirklichkeit leben mussten, erfahren durften, daß das Leben auch schön sein kann. Daß sie einmal, einmal wenigstens, wie andere Kinder sein durften: aufgeregt im Zuschauerraum eines provisorischen Theaters sitzen und auf ein Theaterstück warten. Halb krank vor Lampenfieber hinter der Bühne stehen und auf ihren Auftritt warten. Sich verkleiden, singen, spielen, leben. Greta Klinsberg, die als Kind die Lager durchlitten und überlebt hat sagte später: "Sehen sie, in dem Augenblick, in dem wir zu singen begannen, vergaßen wir, wo wir sind. Das ist das großartige an dieser Oper."Hitler hatte einen unsäglichen Propagandafilm über das Lager in Auftrag gegeben. Unter dem zynischen Titel "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" sollte die Welt in dem Glauben gehalten werden, die Lager seien gemütliche "Feriencamps", aus diesem Grund wurde auch eine Aufführung von "Brundibar" gefilmt. Einige Meter Film sind erhalten geblieben , unter anderem jene Szene, mit dem Schlussgesang aus "Brundibar". Diese Bilder sind das letzte Zeugnis der Kinder von Theresienstadt. Wenig später, im Oktober 1944 wurde der Komponist Hans Krasá nach Auschwitz deportiert und dort noch am Tag seiner Ankunft ermordet. Mit ihm nahezu alle Kinder des Ensembles und des Publikums. Nur sehr wenige haben überlebt. Einige dieser wenigen interviewte die Journalistin Hannelore Wonschick 1998 für ihr Radio Feature "Brundibar und die Kinder von Theresienstadt" und sie machte jedesmal die gleiche Erfahrung: die Menschen erzählten von ihren grauenvollen Erinnerungen, stockend, oft weinend. Bis das Gespräch auf "Brundibar" kam.
"Brundibar...Brundibar war wundervoll" "Brundibar! Das war ein Lichtblick für die Kinder. Sogar für die Erwachsenen. Es war enorm". "Brundibar hat den Kindern das Vertrauen gegeben. Die Welt kann auch schön sein. Die Welt unter Hitler war fürchterlich schwer. Aber die Welt kann schön sein. Wenn die Kinder auch dem Dachboden Brundibar gespielt haben war das Leben für sie schön"
Die Oper ist in den letzten Jahren wieder entdeckt worden und wird häufig gespielt, und niemand der sie sieht oder auch nur auf CD hört, kann dabei den Gedanken an die ersten Kinder verdrängen, die sie gespielt und gesungen haben. Rudolf Freudenfeldt, der ebenfalls überlebt und im Lager, als Erwachsener, die Proben geleitet hat schrieb Mitte der 60er Jahre: "In Theresienstadt kannte ein jeder Brundibar. Alle Kinder sangen die Melodien daraus, jeder sah es sich mehrmals an. Ich weiß nicht, wie viele überlebt haben. Aber man kann es überall auf der Welt versuchen. Man pfeife bloß irgendein Motiv aus unserer Oper und man wird sie finden. Sie werden sich zu erkennen geben."

https://www.youtube.com/watch?v=nXvFKAtTa_k