Samstag, 5. April 2014
Es kann nur Eine geben...
zerlina, 14:00h
Ingeborg Bachmann hat in ihrer „Hommage à Maria Callas“ geschrieben, die Jahrhundertsängerin sei „ein Geschöpf über das die Boulevardpresse zu schweigen hat“.
Leider hat die Boulevardpresse nicht über Maria Callas geschwiegen. Ihre – erfundenen oder tatsächlichen- Skandale füllten die Klatschspalten, ihre Absagen beschäftigten das italienische Parlament, von ihrer Beziehung zu Aristoteles Onassis und ihrem rapiden Gewichtsverlust wussten Menschen, die in ihrem ganzen Leben nie ein Opernhaus von Innen gesehen hatten, und selbst wer Traviata nicht von Tortellini unterscheiden konnte, kannte den Spitznamen den die Presse ihr verpasst hatte: „Die Tigerin“.
Bei all dem wurde oft und gerne unterschlagen, daß es sich bei Maria Callas, und wieder zitiere ich Ingeborg Bachmann, um die „einzige Person“ handelte „die rechtmäßig die Bühne in diesen Jahrzehnten betreten hat, um den Zuschauer unten erfrieren, leiden, zittern zu machen, sie war immer die Kunst, ach die Kunst, und sie war immer ein Mensch, immer die Ärmste, die Heimgesuchteste,
die Traviata.“
Maria Callas ist am 16. September 1977 in Paris an Herzversagen gestorben, sie war 54 Jahre alt. Bei ihrem Tod lag die Zeit ihrer größten künstlerischen Erfolge bereits mehr als 20 Jahre zurück. Wenige Jahre vor ihrem Tod hatte sie mit ihrem ehemaligen Bühnenpartner Giuseppe DiStefano eine Comeback-Tournee versucht, bei der sie stürmisch gefeiert wurde, der Jubel aber wohl mehr ihrer Lebensleistung denn ihrer stimmlichen Verfassung galt. Jürgen Kesting kommentierte diese herzzereißenden Aufnahmen, die erhalten geblieben sind, mit dem berührenden Ausspruch den Pauline Viardot beim ebenfalls problematischen Comebackversuch ihrer Kollegin Giuditta Pasta unter Tränen getan hat: „Es ist wie das Abendmahl Leonardos. Ein Wrack von einem Bild. Aber es ist das größte Bild der Welt“.
Seit Callas’ Tod sind nahezu 37 Jahre vergangen, seit ihren legendären Auftritten Mitte der 50er Jahre fast 60 Jahre. Generationen von Sängerinnen haben seither ihre Rollen gesungen, und sie haben sie gut gesungen, und doch ist Callas vielen auf ewig unvergesslich. Menschen die sie, wie ich, nie auf der Bühne erleben durften, die nur ihre Aufnahmen und die skandalös wenigen erhaltenen Filmmitschnitte ihrer Auftritte kennen, verehren sie als „die“ Violetta, „die“ Lucia, „die“ Norma und „die“ Tosca.
Wann immer ich „Vissi d’arte“, „Casta diva“ oder „Dite alle giovine“ höre, höre ich zwei Stimmen: die, die gerade singt, und die andere. Die Stimme in meinem Kopf und in meinem Herzen. Die „richtige“ Stimme, die Stimme von Maria Callas.
Obwohl Maria Callas in ihrer Glanzzeit die Gipfel der Gesangskunst erklommen hat, hatte sie nach herkömmlichen Maßstäben keine schöne Stimme, jemand hat sie einmal als „große hässliche Stimme“ bezeichnet. Und es stimmt: es gibt Momente, da klingt ihre Stimme grell, scharf, unsauber, sie flackert und scheint die Töne nicht zu treffen. Es gibt Momente, da scheinen mir die Schwächen dieser Stimme nicht mehr akzeptabel, aller dramatischen Kunst zum Trotz. Dann lausche ich anderen, schöneren, gefälligeren Stimmen, nur um immer wieder reumütig und sehnsuchtsvoll zu dieser unperfekten, verletzlichen, wunderbaren Stimme zurückzukehren.
Was ist das Geheimnis dieser Stimme, der Persönlichkeit die sich durch diese Stimme offenbart und die einen, wenn man ihr einmal verfallen ist, nie mehr loslässt?
Wieder hat Ingeborg Bachmann recht: Maria Callas läßt einen nicht los, weil selbst ihr Atemholen Musik ist, ihr Zögern ein Wort auszusprechen, ihre Pausen. Dafür nimmt man die schrillen Töne in Kauf, die gegen Ende ihrer Karriere immer häufiger wurden.
Maria Callas hat auf der Bühne nie gespielt, sie hat immer gelebt. Butterflys Tod, Violettas Opfer, Toscas Hass und Lucias glückseliger Wahnsinn waren immer blutiger Ernst, nie Abendunterhaltung für ein elegant gekleidetes Publikum.
Da ist die Resignation in Violettas Stimme wenn sie in "La Traviata" Alfredos Vater zustimmt: ihre Liebe hat keine Zukunft, Alfredo wird sie eines Tages hassen, weil sie eben doch nur ein leichtes Mädchen ist.
„È vero...è vero... Es ist wahr " Zwei Worte und der Tod ist beschlossene Sache. Niemand macht ihr das nach, und fast niemand ist so dumm, es zu versuchen...
Da ist das leichte fast unmerkliche Zögern vor dem Wort „pura“ in „Dite alla giovine“. Die Kurtisane verspricht, ihr Lebensglück zu opfern, um der Verlobung der reinen Schwester ihres Geliebten nicht im Wege zu stehen, und Callas zögert, als habe die Prostituierte Violetta Hemmungen das Wort „rein“ auszusprechen.
Da ist der Klang ihrer Stimme in „Casta Diva“ aus Bellinis „Norma“: eine Stimme, durchtränkt von Mondlicht. Mit dieser Stimme läßt Callas einen geweihten Hain um Mitternacht entstehen, allein mit dieser Stimme läßt sie uns das silberne Mondlicht sehen, in das die Szene auf der Bühne getaucht ist.
Vielleicht ist das ihr Geheimnis: Callas war eine große Schauspielerin, aber alles was sie dargestellt hat, war vorher schon in ihrer Stimme, so daß wir sie nicht vor uns zu sehen brauchen, wir hören ihre Bewegungen, ihre Gesten, ihr Lächeln und ihre Tränen in ihrem Gesang.
Und dann, 1958 in Paris, die große Tragödin, die heiter, schelmisch und kokett sein konnte, die „Tigerin“ die mit ihrem Image spielt und alle warnt: „Ich kann so zärtlich sein, doch wenn man mich verletzt werde ich wie eine Viper sein...“ Rosina in „Der Barbier von Sevilla“, eines der wenigen erhaltenen Filmdokumente:
http://www.youtube.com/watch?v=NuEmJZzuG9U
Zum Schluß “Tosca”: Toscas Gebet in der Mitte des zweiten Aktes, kurz vor dem Mord an Polizeichef Scarpia. „Vissi d’arte, vissi d’amore...Ich lebte für die Kunst, ich lebte für die Liebe, ich tat niemandem etwas Böses. Warum strafst du mich so hart?“.
http://www.youtube.com/watch?v=mcDp1CoEKOQ
„Es werden so viele unsinnig geweint, aber die Tränen, die der Callas gegolten - sie waren so sinnlos nicht. Sie war das letzte Märchen, die letzte Wirklichkeit, deren ein Zuhörer hofft teilhaftig zu werden.“
(Ingeborg Bachmann)

http://www.youtube.com/watch?v=lnbuwF9DDxA
Leider hat die Boulevardpresse nicht über Maria Callas geschwiegen. Ihre – erfundenen oder tatsächlichen- Skandale füllten die Klatschspalten, ihre Absagen beschäftigten das italienische Parlament, von ihrer Beziehung zu Aristoteles Onassis und ihrem rapiden Gewichtsverlust wussten Menschen, die in ihrem ganzen Leben nie ein Opernhaus von Innen gesehen hatten, und selbst wer Traviata nicht von Tortellini unterscheiden konnte, kannte den Spitznamen den die Presse ihr verpasst hatte: „Die Tigerin“.
Bei all dem wurde oft und gerne unterschlagen, daß es sich bei Maria Callas, und wieder zitiere ich Ingeborg Bachmann, um die „einzige Person“ handelte „die rechtmäßig die Bühne in diesen Jahrzehnten betreten hat, um den Zuschauer unten erfrieren, leiden, zittern zu machen, sie war immer die Kunst, ach die Kunst, und sie war immer ein Mensch, immer die Ärmste, die Heimgesuchteste,
die Traviata.“
Maria Callas ist am 16. September 1977 in Paris an Herzversagen gestorben, sie war 54 Jahre alt. Bei ihrem Tod lag die Zeit ihrer größten künstlerischen Erfolge bereits mehr als 20 Jahre zurück. Wenige Jahre vor ihrem Tod hatte sie mit ihrem ehemaligen Bühnenpartner Giuseppe DiStefano eine Comeback-Tournee versucht, bei der sie stürmisch gefeiert wurde, der Jubel aber wohl mehr ihrer Lebensleistung denn ihrer stimmlichen Verfassung galt. Jürgen Kesting kommentierte diese herzzereißenden Aufnahmen, die erhalten geblieben sind, mit dem berührenden Ausspruch den Pauline Viardot beim ebenfalls problematischen Comebackversuch ihrer Kollegin Giuditta Pasta unter Tränen getan hat: „Es ist wie das Abendmahl Leonardos. Ein Wrack von einem Bild. Aber es ist das größte Bild der Welt“.
Seit Callas’ Tod sind nahezu 37 Jahre vergangen, seit ihren legendären Auftritten Mitte der 50er Jahre fast 60 Jahre. Generationen von Sängerinnen haben seither ihre Rollen gesungen, und sie haben sie gut gesungen, und doch ist Callas vielen auf ewig unvergesslich. Menschen die sie, wie ich, nie auf der Bühne erleben durften, die nur ihre Aufnahmen und die skandalös wenigen erhaltenen Filmmitschnitte ihrer Auftritte kennen, verehren sie als „die“ Violetta, „die“ Lucia, „die“ Norma und „die“ Tosca.
Wann immer ich „Vissi d’arte“, „Casta diva“ oder „Dite alle giovine“ höre, höre ich zwei Stimmen: die, die gerade singt, und die andere. Die Stimme in meinem Kopf und in meinem Herzen. Die „richtige“ Stimme, die Stimme von Maria Callas.
Obwohl Maria Callas in ihrer Glanzzeit die Gipfel der Gesangskunst erklommen hat, hatte sie nach herkömmlichen Maßstäben keine schöne Stimme, jemand hat sie einmal als „große hässliche Stimme“ bezeichnet. Und es stimmt: es gibt Momente, da klingt ihre Stimme grell, scharf, unsauber, sie flackert und scheint die Töne nicht zu treffen. Es gibt Momente, da scheinen mir die Schwächen dieser Stimme nicht mehr akzeptabel, aller dramatischen Kunst zum Trotz. Dann lausche ich anderen, schöneren, gefälligeren Stimmen, nur um immer wieder reumütig und sehnsuchtsvoll zu dieser unperfekten, verletzlichen, wunderbaren Stimme zurückzukehren.
Was ist das Geheimnis dieser Stimme, der Persönlichkeit die sich durch diese Stimme offenbart und die einen, wenn man ihr einmal verfallen ist, nie mehr loslässt?
Wieder hat Ingeborg Bachmann recht: Maria Callas läßt einen nicht los, weil selbst ihr Atemholen Musik ist, ihr Zögern ein Wort auszusprechen, ihre Pausen. Dafür nimmt man die schrillen Töne in Kauf, die gegen Ende ihrer Karriere immer häufiger wurden.
Maria Callas hat auf der Bühne nie gespielt, sie hat immer gelebt. Butterflys Tod, Violettas Opfer, Toscas Hass und Lucias glückseliger Wahnsinn waren immer blutiger Ernst, nie Abendunterhaltung für ein elegant gekleidetes Publikum.
Da ist die Resignation in Violettas Stimme wenn sie in "La Traviata" Alfredos Vater zustimmt: ihre Liebe hat keine Zukunft, Alfredo wird sie eines Tages hassen, weil sie eben doch nur ein leichtes Mädchen ist.
„È vero...è vero... Es ist wahr " Zwei Worte und der Tod ist beschlossene Sache. Niemand macht ihr das nach, und fast niemand ist so dumm, es zu versuchen...
Da ist das leichte fast unmerkliche Zögern vor dem Wort „pura“ in „Dite alla giovine“. Die Kurtisane verspricht, ihr Lebensglück zu opfern, um der Verlobung der reinen Schwester ihres Geliebten nicht im Wege zu stehen, und Callas zögert, als habe die Prostituierte Violetta Hemmungen das Wort „rein“ auszusprechen.
Da ist der Klang ihrer Stimme in „Casta Diva“ aus Bellinis „Norma“: eine Stimme, durchtränkt von Mondlicht. Mit dieser Stimme läßt Callas einen geweihten Hain um Mitternacht entstehen, allein mit dieser Stimme läßt sie uns das silberne Mondlicht sehen, in das die Szene auf der Bühne getaucht ist.
Vielleicht ist das ihr Geheimnis: Callas war eine große Schauspielerin, aber alles was sie dargestellt hat, war vorher schon in ihrer Stimme, so daß wir sie nicht vor uns zu sehen brauchen, wir hören ihre Bewegungen, ihre Gesten, ihr Lächeln und ihre Tränen in ihrem Gesang.
Und dann, 1958 in Paris, die große Tragödin, die heiter, schelmisch und kokett sein konnte, die „Tigerin“ die mit ihrem Image spielt und alle warnt: „Ich kann so zärtlich sein, doch wenn man mich verletzt werde ich wie eine Viper sein...“ Rosina in „Der Barbier von Sevilla“, eines der wenigen erhaltenen Filmdokumente:
http://www.youtube.com/watch?v=NuEmJZzuG9U
Zum Schluß “Tosca”: Toscas Gebet in der Mitte des zweiten Aktes, kurz vor dem Mord an Polizeichef Scarpia. „Vissi d’arte, vissi d’amore...Ich lebte für die Kunst, ich lebte für die Liebe, ich tat niemandem etwas Böses. Warum strafst du mich so hart?“.
http://www.youtube.com/watch?v=mcDp1CoEKOQ
„Es werden so viele unsinnig geweint, aber die Tränen, die der Callas gegolten - sie waren so sinnlos nicht. Sie war das letzte Märchen, die letzte Wirklichkeit, deren ein Zuhörer hofft teilhaftig zu werden.“
(Ingeborg Bachmann)

http://www.youtube.com/watch?v=lnbuwF9DDxA
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